Was haben Menschen, Kartoffeln, Pilze und einzellige Malariaparasiten gemeinsam? Im Gegensatz zu kleineren und einfacheren Zellen – so genannten „Prokaryoten“ – besitzen diese „Eukaryoten“ einen Zellkern. Darin befindet sich ihr Erbgut. Bei Prokaryoten, zu denen vor allem die Bakterien und die Archaeen gehören, ist dagegen das Erbgut im gesamten Zellraum verteilt.
Genetische und biochemische Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass Eukaryoten aus Prokaryoten entstanden sind. Wie sich vor fast zwei Milliarden Jahren dieser einzigartige Übergang zutrug und aus welchen Prokaryoten die eukaryotischen Gene stammen, dies sind seit langem zwei große Fragen in der Biologie.
Chuan Ku, ehemaliger Doktorand am Institut für Molekulare Evolution (Prof. Dr. William Martin), wollte dies mithilfe der Hochleistungsrechner des Zentrums für Informations- und Medientechnologie der HHU entschlüsseln. Er baute dazu während seiner Doktorarbeit in Computersimulationen tausende so genannte „phylogenetische Bäume“ auf. Diese stellen die evolutionären Beziehungen zwischen Genen unterschiedlicher Eukaryoten und Prokaryoten dar. Durch neu entwickelte Analysenmethoden zeigte Dr. Ku, dass die überwiegende Mehrheit eukaryotischer Gene im Zusammenhang mit der endosymbiotischen Entstehung der Mitochondrien (die Kraftwerke der Zelle) und der Chloroplasten (in denen bei Pflanzen die Photosynthese abläuft) aus nur drei prokaryotischen Quellen entstanden: Alphaproteobakterien, Cyanobakterien und Archaeen.
Unter Endosymbiose versteht man, dass im Verlaufe der Evolution bestimmte, ursprünglich unabhängige Zellen in andere Zellen aufgenommen wurden. Innerhalb dieser neuen Verbände übernehmen die aufgenommenen Teile bestimmte Funktionen.
Außerdem fand Dr. Ku heraus, dass außerhalb dieser endosymbiotischen Ereignisse Eukaryoten kaum Gene von Prokaryoten bekommen haben. Ganz im Gegensatz dazu tauschen Prokaryoten untereinander zahlreiche Gene aus, etwa bei der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Es existiert also eine natürliche Barriere für den Transfer über die Grenze beider Zellarten hinweg. Teile von Dr. Kus Doktorarbeit wurden in renommierten Fachzeitschriften wie etwa Nature veröffentlicht.
Sein Doktorvater, Prof. Dr. William Martin, betont die Tragweite der Forschungsergebnisse seines früheren Doktoranden: „Er hat entscheidende Erkenntnisse zum Verlauf und zu den Mechanismen der Evolution vom Erbgut bei Mikroben ans Licht gebracht. Insbesondere verdeutlichte er die Wichtigkeit der Symbiose in der Evolution stärker denn je.“ Prof. Martin ergänzt: „Es ehrt die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dass so talentierte junge Wissenschaftler wie Chuan Ku ihre Dissertation bei uns anfertigen.“
Für seine mit Bestnote ausgezeichnete Doktorarbeit „On the prokaryotic origins of eukaryotic genes“ erhielt Dr. Ku heute die Auszeichnung „Beste Dissertation in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät 2016“.
Genau 100 Promotionen seit letzter Promotionsfeier
Am 10. Februar 2017 verlieh die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät 52 Nachwuchswissenschaftlerinnen und 48 Nachwuchswissenschaftlern im Rahmen der Promotionsfeier ihren Doktortitel. Traditionsgemäß stellten die Biologen mit 47 Promotionen das größte Kontingent, gefolgt von den Chemikern (22), Pharmazeuten (12), Physikern (8), Psychologen (6), sowie vier Informatikern und einem Mathematiker. Der Kreis der Promovierten ist international: Neben Deutschland kommen sie aus China, Griechenland, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Italien, Kamerun, Marokko, den Niederlanden, Pakistan, Polen, Portugal, Russland, Spanien, Taiwan und den USA/Großbritannien.
Der Prodekan der Fakultät, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Kleinebudde, übergab die Promotionsurkunden an die neuen Doctores. In seiner Ansprache betonte er die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten, die dem wissenschaftlichen Nachwuchs an der HHU zur Verfügung stehen und die die jungen Forscherinnen und Forscher zu nutzen wissen. Insbesondere mit Blick auf Dr. Chuan Ku sagte er: „Seine Leistungen in der Forschung zeigen, dass alle, die an der HHU promovieren, die Chance haben, hervorragende wissenschaftliche Erkenntnisse zu schaffen. Wer diese Möglichkeiten in besonderer Weise ergreift, verdient unsere Anerkennung, die wir heute durch die Verleihung des Preises ‚Beste Dissertation 2016‘ ausdrücken.“
Das Fach Biologie richtete in diesem Semester die Promotionsfeier aus. Prof. Dr. Elisabeth Knust, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, hielt den Festvortrag zum Thema „Das Drosophila Auge als Modell zur Erforschung von Netzhaut-Erkrankungen“. Prof. Knust war von 1996 bis 2007 Leiterin des Lehrstuhls für Genetik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Bei der Promotionsfeier wurden traditionell wieder die schönsten und kreativsten Doktorhüte und Doktorwagen gekürt.
Dr. Chuan Ku
Chuan Ku, geboren im Jahr 1987 in New Taipei City in Taiwan, studierte Lebenswissenschaften, Ökologie und Evolutionsbiologie an der renommierten National Taiwan University. Im Jahr 2013 kam er im Rahmen eines DAAD-Doktorandenstipendiums an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Hier promovierte er 2016 in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. William Martin (Institut für Molekulare Evolution) zum Thema „On the prokaryotic origins of eukaryotic genes“ mit der Bestnote „summa cum laude“. Nach seiner Promotion wechselte er ans Weizmann Institute in Rehovot/Israel.
Dr. Ku forscht unter anderem im Bereich der Evolutionsbiologie, zum Gentransfer zwischen verschiedenen Spezies und zum Verhältnis von Pro- und Eukaryoten sowie deren Entwicklung.
Der 29-jährige Nachwuchswissenschaftler kann in seinen Forschungsgebieten bereits auf eine außergewöhnliche große Zahl von 15 Publikationen verweisen, in teils sehr renommierten Zeitschriften wie Nature oder den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Ebenfalls präsentierte er auf zahlreichen internationalen Tagungen in Europa, Australien, den USA und Asien. Bereits vor der Auszeichnung „Beste Dissertation in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät 2016“ erhielt er verschiedene Preise und Stipendien: Neben dem DAAD-Doktorandenstipendium zählen hierzu auch Reisestipendien zu Tagungen und Forschungsaufenthalten, so nach Australien und nach Israel. Jüngst erhielt er eine „Long-Term Fellowship for postdoctoral fellows“ der EMBO (European Molecular Biology Organization).