Heinrich Heine und die Bürgeruniversität
Heinrich Heine als Namenspatron der Düsseldorfer Universität
Seit 1988 trägt die Universität Düsseldorf den Namen des Dichters und Sohnes der Landeshauptstadt Heinrich Heine. Die Benennung der Universität nach Heine war über 20 Jahre lang Gegenstand zahlreicher Kontroversen zwischen Wissenschaftler*innen und Studierenden der Universität, Politiker*innen, Kulturschaffenden und Bürger*innen der Stadt Düsseldorf. Kritiker bezeichneten die geplante Umbenennung als "Schildbürgerstreich" und unzeitgemäßen "Personenkult".
Heute können wir uns glücklich schätzen, dass die Entscheidung für Heinrich Heine als Namenspatron gefallen ist. Kein anderer Schriftsteller hätte mit seinem Werk und den durch ihn verkörperten Werten - Toleranz, Weltoffenheit, Gleichheit und Freiheit - die Bürgeruniversität besser repräsentieren können als er. Denn als Bürgeruniversität öffnet sich die HHU ganz im Sinne Heines verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, ermuntert Bürger*innen zu Dialog und Teilhabe, vermittelt ihren Studierenden eine breite, humanistische Bildung und gestaltet mit ihren Forschungsergebnissen den Fortschritt der Gesellschaft mit.
Heinrich Heine als engagierter Dichter und europäischer Kosmopolit
Heinrich Heine (1797-1856) war ein kritischer Geist und dabei nicht frei von inneren Widersprüchen: zu Beginn seiner literarischen Karriere rückwärtsgewandter Romantiker, später prosaischer Revolutionär; heimatliebend und zugleich schärfster Kritiker seines Herkunftslandes. Heine erlebte seine Gegenwart - die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts - als Umbruchs- und Krisenzeit. In den Augen des Dichters versuchten die Vertreter des Adels und der Geistlichkeit, die Herausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft zu verhindern, für die die Freiheit des Geistes, der Religion und den Wissenschaften unabdingbar war. In seinen literarischen Texten, im Feuilleton und in politischen Schriften bekannte sich der überzeugte Demokrat immer wieder zu Freiheit, Gleichheit und einem friedlichen Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen. Vor allem die nationalistischen und reaktionären Tendenzen in Europa in der Zeit nach dem Wiener Kongress betrachtete er mit großer Sorge. "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht", lauten die vielzitierten Verse aus dem 1844 erschienen Gedicht "Nachtgedanken".
Heines Vorstellung vom aufgeklärten Bürgertum und gesellschaftlicher Teilhabe
Als Schriftsteller, Korrespondent und Feuilletonist entwickelte Heine einen neuen ironischen Ton, von dem sich die deutsche "Leitkultur" zeit seines Lebens und lange darüber hinaus provoziert fühlte. Mit Witz, Spott und Satire schrieb er gegen Spießertum, Untertanengeist, Nationalismus und überkommene Autoritäten an. Heines Werk stellt die bürgerliche Welt in den Mittelpunkt seines künstlerischen Schaffens. Sie ist eine Literatur von Bürgern für Bürger. Von der Bürgergesellschaft forderte er, dass sie sich nicht als Opfer der Verhältnisse sehen, sondern ihre gesellschaftliche Wirklichkeit aktiv mitgestalten sollte. Die Aufklärung und ein immer selbstbewusster werdendes Bürgertum haben im 19. Jahrhundert Fortschrittsprozesse angestoßen, die in vielen Lebensbereichen des Menschen zu Verbesserungen geführt haben. Dogmen, überholte Traditionen und Autoritäten wurden durch Vernunft, demokratische Debatten und die wissenschaftsgetriebene Suche nach Wahrheit ersetzt. Damit zog das Ideal der Aufklärung in unsere Gesellschaft ein, das bis heute fortwirkt.
Die Bürgeruniversität in der Tradition Heinrich Heines
Die Errungenschaften der Aufklärung sind auch für unsere Gegenwart nicht selbstverständlich. Wenn wir Werten wie Toleranz, Liberalität und Freiheit sowie der evidenzbasierten Suche nach Wahrheit nicht weiter verpflichtet bleiben, gefährden wir nicht nur diese Werte, sondern auch den weiteren Fortschritt. In einer Zeit, in der schlichte Unwahrheiten zu "alternativen Fakten" erklärt und wissenschaftliche Erkenntnisse als "Fake News" herabgewürdigt werden, sind diese Werte wichtiger denn je.
So wie Heine sich um die Herausbildung eines emanzipierten und aufgeklärten Bürgertums bemüht hat, ist es auch der HHU ein Anliegen, dass Bürger*innen sich ein eigenständiges und vorurteilsfreies Bild über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen machen. Dazu verpflichtet sich die HHU in der Tradition Heinrich Heines der Idee der Bürgeruniversität. Sie möchte einen substanziellen Beitrag zur Reflexionsfähigkeit der Bürger*innen leisten - als kritische Staatsbürger*innen, kritische Konsument*innen und kritische Rezipient*innen von Medien, Literatur, Musik und Kunst. Damit übernimmt die HHU gesellschaftliche Verantwortung und arbeitet an der Sicherung einer freiheitlichen, mündigen und toleranten Gesellschaft mit.
Heinrich Heine unterstütze die progressiven Kräfte seiner Zeit und den wissenschaftlichen Fortschritt. Gleichzeitig hinterfragte er aber auch dessen Folgen und Risiken. Ebenso ist es für die HHU unerlässlich, die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und die Konsequenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse kontinuierlich zu hinterfragen. Umstrittene Forschungsthemen - wie etwa Eingriffe in das Erbgut im Rahmen der Genforschung, Tierversuche beispielsweise zur Entwicklung neuer Medikamente oder die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz - bedürften des ständiges Austausches mit der Öffentlichkeit. Nur durch einen solchen Dialog können sowohl das Interesse an als auch das Vertrauen in die Wissenschaft gestärkt werden.